Die Brennnessel I

Urtica dioica

Urtica von urere = lateinisch brennen

Dioica bedeutet zweihäusig, d. h. es gibt männliche und weibliche Pflanzen, deren Blüten entweder Pollen spenden oder die Fruchtknoten bereitstellen und die Samen austragen.

Sie ist die bis zu 1,50 m hohe stattliche Staude in sattem, mit zunehmender Reife ins Schwärzliche gehende Grün, die obwohl verfemt, gehasst, verteufelt, dem Menschen treu folgt und seine Siedlungsspuren bedeckt und integriert.

Sie schafft den Übergang vom Bauwerk zum gewachsenen Boden, sie überwuchert "vergessene" eiserne Geräte, sie bedeckt den nackten Gartenboden, sie schließt die offene Stelle am Bachufer und sie überzieht wie ein heilsames Pflaster die tiefen Wunden, welche die moderne Forsttechnik in das empfindliche Waldbodengefüge reißt.

Urtica urens, die noch brennendere Nessel kommt im Verhältnis zur großen Schwester fast schon selten vor, sie ist nur einjährig, wird nur ca. 30 cm hoch und wächst gerne in Blumentöpfen und -kästen, im Garten und im Gewächshaus. Die nährenden und heilenden Inhaltsstoffe sind die gleichen aber sie besitzt noch mehr Brennhaare und schon die kleinsten Blättchen sind voll damit ausgerüstet.

Rudolf Steiner (1861-1925), hellsichtiger Mystiker und Begründer der Antroposophie bezeichnete die Nessel als die größte Wohltäterin im Pflanzenreich. Kräuterpfarrer Künzle 1857-1945, der große Schweizer Kräuterkenner meinte, dass die Brennnessel aufgrund ihrer großen Tugenden schon längst ausgerottet wäre, wenn sie keine Stacheln hätte. Zu Lebzeiten Pfarrer Künzles gab es in der Schweiz noch keine großflächige, chemische "Unkraut"-Bekämpfung..

In der konventionellen Landwirtschaft wird sie zu den schwer bekämpfbaren Ackerunkräutern gezählt und manche Hofstelle wird immer noch mit Round-up und ähnlichen Totalherbiziden "saubergehalten".

In der biologisch-dynamischen Kultivierung wird das Brennnesselpräparat verwendet um die "Marskräfte" in den Pflanzen zu stärken und das Mondenhafte (z. B. die weichen, schleimigen, saftziehenden Mikroorganismen, Schimmelpilze, Mehltau etc. in die Schranken zu weisen.

In der traditionellen Pflanzenheilkunde wird jedes Pflanzenwesen, auch die Bäume als Vermittler kosmischer Kräfte erkannt und entsprechenden Gestirnen oder kosmischen Archetypen zugeordnet.

Ein Parameter der Zuordnung ist das Aussehen, die Signatur der Pflanze.

Die Brennnessel zeigt sich martialisch.

Der Stängel ist zäh, streng vierkantig und verzweigt sich nur, wenn er verletzt wurde.

Die Blätter stehen streng wechselständig und gegenpaarig. Auf Schmuckfarben bei der Blütenbildung wird verzichtet, dafür wird reichlich Pollen gebildet, welcher aktiv herausgeschleudert wird und die weiblichen Blütenrispen warten mit reichlich Samenanlagen auf die Befruchtung. Auf Duft wird verzichtet.

Dafür sind zum Schutz der Art die gezackten Blätter und der Stängel mit einem Heer von spitzen Brennhaaren ausgerüstet. Diese brechen bei Berührung schräg spitz ab und bohren sich wie eine Injektionsnadel in die Haut und entlassen das brennende Sekret, u. a. bestehend aus Histamin, Acetylcholin und Ameisensäure.

Schmerz, Quaddelbildung und erhöhte Durchblutung der betroffenen Region sind die Folgen. Die daraus resultierende Heilwirkung ist bessere Durchblutung, verbesserter Gewebetonus durch Aktivierung der Muskelzellen und das Ausschwemmen von Schlacken, dadurch erhöhte Sensivität und Beweglichkeit.

Das Peitschen mit Brennnesseln wird auch heute noch von Heilkundigen praktiziert bei dicken schmerzhaft geschwollenen Knien und anderen Gelenken, bei Rheuma, Ischias und Lähmungserscheinungen.

Das wird die Jugendlichen im Unterricht wahrscheinlich weniger interessieren, aber wenn man ihnen die Brennnessel vorstellt als eine Pflanze die beim Erwachsenwerden hilft wird das Interesse wachsen. Denn die Brennnessel wirkt aufgrund der reichlich vorhandenen Phytohormone unterstützend auf die hormonelle Umstellung zum Erwachsen werden und fördert eine gesunde Sexualität. Außerdem wirkt sie sowohl hormonell regulierend als auch durch Anregung der Ausscheidungsorgane auf die Talgdrüsen der Haut und vermeidet oder lindert so die Akne. Die Nessel wirkt aber auch feinstofflich dem Null-Bock-Syndrom entgegen und hilft gerade dem jungen Menschen seine Intention zu entdecken und zu leben.

Junge Frauen leiden oft an Eisenmangel und deren Folgen wie Blässe, Infektanfälligkeit und bleierner Müdigkeit. Auch hier schafft der Genuss von Brennnessel als Tee, Tinktur und Wildgemüse Abhilfe, denn die Nessel regt als Marspflanze die Bildung der roten und weißen Blutkörperchen an und bringt das dafür nötige organische Eisen gleich mit. Das im Chlorophyll enthaltene Magnesium verhindert Krämpfe der Muskulatur und sorgt für geschmeidige Beweglichkeit.

Aber nun ran an die Nesseln, idealerweise aus dem Schmetterlingsbiotop des Schulgartens.

Dort lässt man einen Teil stehen als Nahrungsquelle für die Raupen von Tagpfauenauge, Kleinem Fuchs und Admiral.

Für Tee und Wildgemüse ernten wir von den jungen Pflanzen die obersten 2 - 3 Blattpaare samt Stängel

Für die Ernte zieht man entweder Leder- oder Gartenhandschuhe an oder man hält kurz die Luft an und packt beherzt zu und sammelt gleich in einen Seiher. In der Küche spült man die Pflanzen kräftig lauwarm ab und lässt sie abtropfen.

Zu guter Letzt das erste Rezept:

Spinat aus Brennesseln

Zwiebel in Fett andünsten

Die abgetropften Brennesseln zugeben (ca. 4 Händevoll für 4 Personen und in ca. 5 - 7 Min. weich dünsten.

Mit Stein- oder Meersalz , frisch geriebener Muskatnuss, schwarzem und oder weißem Pfeffer, nach Belieben einer Spur Knoblauch und süßem Rahm abschmecken.

Fortsetzung zum Thema Brennnessel folgt...