Die Neunerlei-Kräutersuppe

In diesem Monat feiern wir zur Tag- und Nachtgleiche den Beginn des Frühlings, bzw. am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond die Auferstehung des Gottessohnes Jesus Christus.

Das Osterfest erhielt seinen Namen von Ostara, der römischen Frühlingsgöttin.

Bevor unsere keltischen und germanischen Vorfahren christianisiert wurden, feierten sie die Wiederauferstehung der Sonne und die Wiedergeburt der Natur, d. h. das erneute Erscheinen der Vegetation. In den slawischen Ländern durfte vor dem 25. März die Erde nicht bearbeitet werden, weil bis zu diesem Tag Mutter Erde schwanger war und deshalb in Ruhe gelassen werden musste.

Für den aufmerksamen Betrachter ist auch heute noch dieses Wiedererwachen der Keimkraft auf den Tag genau zu spüren. Dieser "Los-Tag" wurde von unseren Ahnen mit Ritualen begangen, um sich mit der erneuernden und belebenden Kraft des Vegetationsbeginns zu verbinden.

Man bereitete sich dazu eine Suppe aus neunerlei verschiedenem Grün, welches soeben der Erde entsprossen war.

Die Zahl 9 galt (gilt?) in allen Kulturen als heilig. Sie war der weiblichen Muttergöttin oder Mutter Erde geweiht, die das neue Leben bringt und schützt. In der Zahl 9 ist auch das "Neu-e" enthalten. Es ist die Zahl der Initiation und der Bündelung von Kräften, damit Neues verwirklicht werden kann.

Die Zahl 9 begegnet uns bei vielen rituellen und religiösen Handlungen und Inhalten, z. B. 9 oder gar 99 Kräuter für den Weihbuschen an Maria Himmelfahrt, 9erlei Hölzer für Ritualfeuer, 9erlei Zutaten für die Rauhnächteräucherungen aber auch 9 Monate Schwangerschaft, 9 himmlische Sphären oder Engelchöre und 9 Seligpreisungen.

Im Frühjahr verspürt der Mensch Lust und Schwung sich und die Wohnung von den Schlacken der lichtarmen Zeit zu reinigen, geplante Vorhaben durchzuführen und Neues zu beginnen. Mutter Erde unterstützt ihn dabei, denn die Pflanzen, die jetzt sprießen, haben allesamt reinigende und belebende Kraft.

Mit der Christianisierung wurde der Gründonnerstag zum fixen Termin für diese Ritualspeise. Sie wurde gleichzeitig die einleitende Fastensuppe für die kommenden Kartage, an denen der Fleischgenuss unterbleiben sollte. Dem Volksglauben nach sollte der Verzehr der grünen Suppe das ganze folgende Jahr vor Krankheiten bewahren. Der Naturforscher Alexander von Humboldt schwor auf den Wert der Frühlingssuppe und er aß sie mehrere Wochen lang. Die von ihm verwendeten Kräuter sind sogar überliefert: Gundelrebe, Schafgarbe, Brunnenkresse, Spitzwegerich und Gänseblümchen.

Basiskräuter für die Kräutersuppe sind: Brennnessel, Gundelrebe, Spitzwegerich, Gänseblümchen, Löwenzahn, Vogelmiere, Scharbockskraut vor der Blüte, Bärlauch, Giersch, Schafgarbe, Sauerampfer, Schlüsselblumenblätter und -blüten, Veilchenblätter und -blüten, weißes Labkraut und weiße Taubnessel, vielleicht auch schon weiße Melde. Wenn man das Glück hat und ein sauberes Fließgewässer in seiner Nähe weiß, kann man Brunnenkresse und Bachehrenpreis dazu ernten.

Um die Jugendlichen an das Thema heranzuführen, genügen sicher wenige Kräuter in der Mischung von relativ mildem Aroma wie Gänseblümchen, Giersch und Brennnessel, weißem Labkraut, Taubnessel und Melde und würzigeren wie Schafgarbe, Löwenzahn und Gundelrebe und säuerlichen wie Spitzwegerich und Sauerampfer. Selbstverständlich kann man die klassischen Küchenwürzkräuter wie Petersilie und Schnittlauch dazu geben, wenn man sie in guter Qualität zur Verfügung hat. Von den konventionell im Treibhaus unter hohem Energie- , Dünger- und Giftaufwand gezogenen Kräutertöpfen ist dringend abzuraten. Weniger ist mehr und der Schnittlauchstock und die etwas ausgewinterte Petersilie aus dem Frühbeetkasten sind haushoch wertvoller.

Die Vogelmiere und das Gänseblümchen kennen Sie schon, die anderen Pflanzen und ihre heilsamen Wirkungen werden in den folgenden Artikeln der Serie beschrieben.

Die Zubereitung der Suppe bestimmen Sie selbst.

Die Grundlage kann z. B eine Kartoffelsuppe sein, oder sie bereiten eine Bechamelsoße in gewünschter Konsistenz zu oder eine klare Fleisch- bzw. Gemüsebrühe.

Die sorgfältig gereinigten Kräuter werden in jedem Fall wie Schnittlauch geschnitten und zum Schluss dazugegeben und nur noch ca. 10 Minuten ziehen lassen, denn beim Kochen würden zu viele Bitterstoffe frei. Besonders lecker schmeckt die Suppe wenn sie zum Schluss mit süßer Sahne oder Schmand verfeinert wird. Dekoriert wird mit ein paar ganzen Blättchen und Blüten von Veilchen, Schlüssel- und Gänseblümchen.